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29. April 2025Viele Männer verspüren einen eigenartigen Schmerz – eine Sehnsucht, die nicht so recht in die Sprache der Romantik oder gar Lust passt.
Es ist ein Verlangen, das weniger von Fantasie als vielmehr von Müdigkeit geprägt ist.
Er will nicht angebetet werden.
Er will überwältigt werden.
Und zwar nicht mit Gewalt – sondern durch bilden.
Von der Frau, deren Schweigen schärfer ist als eine Peitsche.
Von dem, der nicht fragt, sondern nur erlaubt.
Diejenige, die Macht nicht als Metapher, sondern als physische Realität trägt: ein Korsett, das sie nicht beugen lässt, Handschuhe, die sie nicht fühlen lassen und Absätze, die ihren Gang in Befehlsgewalt verwandeln.

Diese Frau ist nicht immer eine Domina im klassischen BDSM-Sinne – obwohl sie oft die Uniform trägt.
Sie ist die phallische Frau: derjenige, auf den Männer ihre tiefsten Ängste und Wünsche projizieren.
Nicht weil sie männlich ist – sondern weil sie die Signifikanten der Männlichkeit, ohne jemals ihre Weiblichkeit aufzugeben.

Sie bietet keine Liebe an.
Sie bietet Struktur.
Und innerhalb dieser Struktur fühlen sich manche Männer endlich frei.
Eine Geschichte der Anbetung in Latex und Leder
Das Bild der Domina ist nicht neu.
In den 1950er Jahren gab es Underground-Fetisch-Magazine wie Exotisch füllten ihre Seiten mit eng geschnürten Korsetts, schenkelhohen Stiefeln und eisigen Blicken.
Die Frauen auf diesen Seiten lächelten nicht. Sie warteten nicht.
Sie haben bestraft.
Und die Männer verehrten sie dafür.
Dies waren nicht bloß Pin-ups. Es waren Ikonen einer neuen erotischen Ordnung.
Eine Fantasie, in der weibliche Dominanz war sowohl visuell als auch symbolisch.
Wo das Korsett nicht nur Dessous war – es war Gesetz.
Wo der Absatz keine Zierde war, diente er der Rechtsprechung.



Dieses Bild hat sich im Laufe der Zeit weiterentwickelt, ist jedoch nie verblasst.
Der britische Illustrator Sardax trug mit seinen einfühlsamen und zugleich kraftvollen Darstellungen von Frauen in Führungspositionen dazu bei, dieses Erbe in die Moderne zu tragen.
Seine stark vom Jugendstil beeinflusste Kunst zeigt Frauen oft als Tempel der Macht: schön und furchterregend zugleich, begehrt und gefürchtet.



Und durch all das, die Sprache der Fetischmode ist erstaunlich stabil geblieben: Leder, Latex, Handschuhe, Korsetts, Halsbänder.
Nicht nur, weil sie erotisch sind – sondern weil sie verwandeln den Träger in etwas Mythologisches.
Die phallische Frau ist kein Kostüm – sie ist eine Grenze
Sich nach der Domina zu sehnen, bedeutet nicht, sich nach Missbrauch zu sehnen.
Es geht darum, sich nach Eindämmung zu sehnen.
Struktur.
Klarheit.
Ein erotischer Vertrag, bei dem niemand so tun muss, als sei Zärtlichkeit das Ziel.
In ihrer Gegenwart darf der Unterwürfige endlich mit der Kraftausübung aufhören.
Er muss nicht beschützen.
Er muss nicht führen.
Er kniet nieder und dabei Siege – nicht ihr Herz, sondern ihre Erlaubnis.
Aber was ist mit ihr?
Die phallische Frau wird oft als Projektion vorgestellt – eine Fantasie, die aus der männlichen Psyche entstanden ist.
Aber sie ist auch sehr oft eine Wahl.
Eine Antwort.
Eine Rolle, die von Frauen übernommen wird, die müde, verbraucht zu werden.
Manchmal ist es die einzige Möglichkeit, intakt zu bleiben, wenn man zu einem Symbol der Herrschaft wird.
Sie wird hart, weil Weichheit bestraft wurde.
Sie wird gefürchtet, weil sie sich nie sicher fühlte, begehrt zu werden.
Sie bevorzugt Schweigen statt Erklärung und Kontrolle statt Verhandlung.
Und so hüllt sie sich in Fetisch-Mode – nicht um Aufmerksamkeit zu erregen, sondern um schützen Bedeutung.
Ihr Latex dient nicht seinem Vergnügen, sondern ihrer Souveränität.
Anbetung und Auslöschung
Hier liegt das Paradox:
Er fürchtet sie.
Er will sie.
Aber er kann sie nicht lieben.
Denn die phallische Frau ist nicht zuordenbar.
Sie öffnet nicht.
Sie gibt nicht nach.
Sie darf angebetet, aber niemals berührt werden.


Dies ist kein Versagen.
Es ist Teil des Zaubers.
Fetischismus ist im Grunde eine Möglichkeit, das Verlangen aufrechtzuerhalten, indem man es in einer Form einfriert.
Das Korsett lässt sie nicht atmen – und das ist der Punkt.
Sie ist unantastbar. Ewig. Imaginär.
Aber selbst sie sehnt sich manchmal danach, echt zu sein.
Ich kenne sie
Ich habe ihre Uniform getragen.
Ich habe ihr Schweigen ausgesprochen.
Ich bin in einen Raum gegangen und habe die Last von Augen gespürt, die auf ihre Bestrafung warteten.
Nicht weil ich Strom brauchte.
Sondern weil es die einzige Möglichkeit war, nicht länger zur Beute zu werden.
Das ist es, was uns die Domina gibt.
Keine Dominanz. Keine Kontrolle.
Aber Raum.
Raum zum Existieren ohne Entschuldigung.
Raum zum Begehren, ohne verschlungen zu werden.
Die Domina, die phallische Frau, der erotische Archetyp –
Sie könnte eine Fantasie sein.
Sie ist aber auch eine Überlebensstrategie.
Ein Zauber. Eine Struktur. Eine heilige Aufführung.
Und als sie endlich die Handschuhe auszieht,
schnürt das Korsett auf,
und lässt sich menschlich sein –
dann wird ihre Macht unerträglich.
Denn jetzt ist sie kein Mythos mehr.
Sie ist eine Frau.
Und sie braucht dich immer noch nicht.
Aber vielleicht lässt sie Sie etwas näher knien.
von La Cortigiana